Strom vom Baggersee – Ein Artikel der Südwestpresse

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Ein Unternehmer aus der Region setzt auf schwimmende Photovoltaik-Anlagen. Andere sehen wenig Potential dafür in Deutschland. 

Wer hat die größte schwimmende Photovoltaikanlage? Die Antwort ist immer nur eine Momentaufnahme: Rund um den Globus versuchen Unternehmen, mit ihrem nächsten Floating-PV-Projekt die Konkurrenz zu überbieten. Derzeit hat China mit einer 320-Megawatt-Anlage die Nase vorn, in Indonesien soll bald eine Anlage über 2 Gigawatt entstehen. In Europa versucht man vor allem in Großbritannien, Holland, Spanien, den Anschluss nicht zu verlieren.

Vorne dran sein in Sachen Floating-PV (FPV) möchte auch Wolfgang Kempfle aus Leipheim. „Es gibt ein leichteres Geschäft, aber wir wollen in der Region der Betrieb sein, der dieses Thema von Anfang an begleitet“, sagt der Unternehmer. Als „Flachland-Bayer mit Hauptsitz in der Seen-Ecke“ und Filialen entlang der Autobahn A8 sei man dafür prädestiniert. Und man habe eine Betriebsgröße, die man brauche, um einen FPV-Betriebszweig aufbauen zu können. Zudem habe sich in Süddeutschland noch niemand in dieses „Neuland vorgewagt“.

Das Münchner Unternehmen Baywa r.e. Solar Projects GmbH, das vor allem in den Niederlanden mit größeren FPV-Anlagen Erfahrungen gesammelt hat, kündigte zwar im April 2022 ihr erstes FPV-Projekt in Erding an. Doch im November 2022 wurde das Projekt abgeblasen. Baywa r.e.-Managerin Stefanie Wimmer sagte der Süddeutschen Zeitung, schwimmende Solaranlagen auf Baggerseen hätten in Deutschland wegen behördlicher Beschränkungen keine Chance mehr. Daher konzentriere man sich jetzt auf andere Märkte.
Wimmer kritisierte Restriktionen, die die Bundesregierung im Rahmen des „Osterpaket zum Ausbau erneuerbarer Energien“ im Juli 2022 beschlossen hat: Nicht mehr als 15 Prozent einer Wasserfläche dürfen genutzt werden, und die Anlage muss 40 Meter vom Ufer entfernt sein. Im Mai 2022 hatte die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, unterstützt von der aus Baden-Württemberg, deshalb einen Änderungsantrag eingebracht. „Unser Änderungsantrag und auch ein Brief von unserer Ministerin an die Bundesumweltministerin haben keine Erhöhung der 15 Prozent erreichen können, aber zumindest eine Verkleinerung der Abstandsregelung von ursprünglich 50 auf 40 Meter zum Ufer.“

„Diese willkürlich gesetzte Obergrenze entbehrt unserer Ansicht nach jeglicher Grundlage.“
(Thomas Beißwenger Industrieverband Steine und Erden BW)

Das teilt auf Nachfrage das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft in Stuttgart mit. Und das Pendant in München antwortet, aufgrund der bundesrechtlichen Einschränkungen seien die Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Optimierung beziehungsweise der Ausbau der FPV-Anlagen begrenzt. „Eine Änderung der Rechtslage müsste auf Bundesebene erfolgen. Ein entsprechender Antrag dazu wird derzeit in den Ausschüssen des Bayerischen Landtags beraten.“

Trotzdem glaubt Ulrich Müller, bei Kempfle zuständig für Kommunen, Organisationen und Verbände, wie sein Chef weiterhin an das FPV-Geschäft: „Wir planen in kleineren Dimensionen als die Baywa r.e.“ Für Projekte der passenden Größe gebe es starkes Interesse im Landkreis und aus Nachbarlandkreisen.
„Ein Pilotprojekt wäre für unsere Firma ein wichtiger Schritt“, sagt Kempfle. „Ich rechne damit, dass wir das 2024 umsetzen können.“ Man sei in Kontakt mit Kommunen, Seebesitzern und Energieversorgern wie ENBW und LEW. Theoretisch ist es laut den Bestimmungen leichter, eine PV-Anlage auf einem künstlich erzeugten See umzusetzen, als auf einem Acker, sagt Kempfle. Weil es jedoch noch keine Erfahrungswerte gebe, könne „die Bürokratie“ trotzdem problematisch werden.

Aufklärungsbedarf rund um das Thema FPV sieht er auch bei See-Besitzern beziehungsweise -Verwaltern. Etwa zur höheren Effizienz der FPV-Anlagen, der höheren Einspeisevergütung, aber auch zu den höheren Kosten für die Genehmigung, die Technik und den Anschluss ans Netz, das nicht allzu weit entfernt liegen dürfe. Auch die Seebewohner würden profitieren, weil sich das beschattete Gewässer im Sommer weniger aufheize.

FPV-begeistert hat sich kürzlich auch der Industrieverband Steine und Erden BaWü geäußert. Er sieht großes Potenzial, heimische Kiesunternehmen seien Partner der Energiewende. Der Verband kritisiert die „willkürliche“ 15-Prozent-Beschränkung und fordert leistungsfähige Übertragungsnetze, um zukünftig die auf Baggerseen erzeugten Strommengen einspeisen zu können.

Bericht von Markus Fröse
Foto von Benedikt Spether/dpa: Die größte deutsche Photovoltaik-Anlage in Renchen bei Freiburg.

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